Meinungs von Ulrike Heggen

Jugendhilfeausschuss-Sitzung am 30.04.2013

Tagesordnungspunkt 1: Jugendscheune Villingen-Schwenningen
Stellungnahme der Freien Wähler:
Die uns nun präsentierte Vorlage ist sehr beschämend als Ergebnis vermeintlich jahrelanger Prüfung und Suche nach einem Ersatz für die in 2007 geschlossene Jugend- und Kulturscheune in Villingen-Schwenningen.

Es entstand bei uns der Eindruck, dass alle vorgestellten und letztendlich zum Scheitern verurteilten Lösungsvorschläge in den letzten Wochen untersucht wurden, nachdem auf wiederholte Anfragen aus dem Jugendhilfeausschuss, dem Gemeinderat – und hier auch besonders aus unserer Fraktion – der Druck immer größer wurde, und man eben nicht umhin kam, jetzt endlich Ergebnisse zu präsentieren. Bezeichnend dafür ist auch, dass die bereits für März terminierte JHA-Sitzung nochmals um 4 Wochen auf heute verschoben werden musste.

Die Vorlage lässt klar durchblicken, dass nicht verstanden wurde – oder gewollt missverstanden wird – warum und wofür ein Ersatz für die Jugendscheune gebraucht wird. Es geht vor allem darum, dass der Bedarf nicht auf die Veranstaltung von Stufenpartys reduziert wird. Die Forderung nach einem Jugendtreff, wie es die Jugendscheune war, hat sich keineswegs nur an der Abhaltung von Stufenpartys entzündet, sondern geht einher mit der Schließung bzw. dem endgültigen Abriss dieses Objektes vor nunmehr 6 bzw. 1,5 Jahren!

I.            Formulierung der Defizite in VS laut Umfrage bei Jugendlichen:

Proberäume für Bands

Regelmäßige Disco-/Tanzveranstaltungen

Konzerte mit lokalen Künstlern und Bands aus der Jugendszene

Treffs und Aufenthaltsmöglichkeiten

Diese Defizite würden vorwiegend von Erwachsenen erhoben, als von den Jugendlichen selbst; so steht es in der Vorlage.

Frage: Wo und wie sollen die Jugendlichen Ihre Forderungen und Vorstellungen äußern?

Außer den Mitarbeiter/innen der Mobilen Jugendarbeit in den Sozialräumen, die aber vorwiegend mit mehr oder weniger „auffälligen“ Jugendlichen in Kontakt kommen, gibt es für andere kaum eine Plattform. Somit sind nun mal Erwachsene in verschiedenen Gremien mehr oder weniger das Sprachrohr mit der Verwaltung in VS.

Die Antwort der Verwaltung  auf diese benannten Defizite liest sich wie folgt:

Räumlichkeiten für künstlerische und musische Veranstaltungen seien wohl nicht schwer zu haben, ebenso Probenräume für Bands (Jugendhäuser, Chilly). Alles befindet sich in oder an der Grenze von Wohngebieten; der Ärger mit Anwohnern ist bekannt; Lärmbelästigungen schon vor Mitternacht etc. Dass sich die Probleme in Grenzen halten würden, muss bezweifelt werden.

Verweis auf kommerzielle Veranstaltungen in TUT, RW, Bad Dürrheim ist nicht zielführend, da Großveranstaltungen mit aktuellen Stars nicht Inhalt der vorgenannten Forderungen /Defizite waren.

Für Tanzmöglichkeiten die Jugendlichen in die umliegenden Diskotheken zu schicken ist nicht die Lösung. Zum einen kann sich das nicht jeder leisten, man muss hingefahren und abgeholt werden (Donaueschingen, Singen??); außerdem wohl kein Zutritt für unter 18 Jährige!

II.            Stufenpartys:

Stufenpartys sind Musik- und Tanzveranstaltungen, die die Schüler/innen für ihre Jahrgangsstufen in der Stadt
organisieren; es geht hier in den meisten Fällen nicht darum, Jugendliche über die Stadt- und Kreisgrenzen hinaus anzulocken. Es geht auch nicht darum, dass die Stadt sich direkt finanziell an den Stufenpartys beteiligen soll; es geht lediglich um die Räumlichkeiten dafür.

Ich bin durchaus auch der  Meinung, dass die Abi-Abschlussbälle nicht immer noch größer gefeiert werden müssen und folglich für die Finanzierung auch die Stufenpartys immer größer werden. Wir sind auch dagegen, dass auf diesen Stufenpartys in großen Mengen harter Alkohol angeboten wird, um einen entsprechenden Gewinn zu machen. Doch dieses Problem muss dann an anderer Stelle geregelt und organisiert werden.

Wir sehen aber auch, dass diese Stufenpartys eine Möglichkeit sind, sich zu treffen, gemeinsame Musik zu hören, zu tanzen, sich auszutauschen. Wir hatten in unserer Jugend dafür z.B. die 14tägig stattfindenden Jugendbälle in der alten Tonhalle. Das war unsere Zeit, heute erlebt man eben vieles anders.

Die Stadt kann sich nicht einfach aus der Verantwortung nehmen mit dem Argument, es sei nicht ihre Aufgabe, auf Gewinnerzielung organisierte Veranstaltungen zu unterstützen oder dass sie Veranstaltungen fördern solle, die regelmäßig gegen den Jugendschutz verstoße.

Im Gegenteil: Anders herum wird ein Schuh daraus:

Ich sehe es als unsere gesellschaftliche Verpflichtung, die Jugendlichen nicht nur dem Kommerz und dem Konsum zuzuführen, und sie nicht in die Versuchung zu führen, gegen jugendschutzrechtliche Bestimmungen zu verstoßen.

Aber dafür müssen wir etwas tun, wir müssen ihnen dann etwas Entsprechendes anbieten können. Indem wir sie auf der Straße stehen lassen und ihnen dauernd nur sagen, wo sie sich nicht aufhalten dürfen, handeln wir nur kontraproduktiv.

Vermietungen an Jugendliche:

Die Aussage der Verwaltung, dass viele Hallenvermieter nicht mehr bereit sind, ihre Räumlichkeiten an Jugendliche zu vermieten wegen Lärm, Vermüllung und Sachbeschädigungen ist mir zu sehr Klischee.

Diese Probleme gibt es zu genüge auch bei uns Erwachsenen, wir leben dies leider täglich vor. Es ist ein gesellschaftliches Problem, das hier nicht auf die Jugend reduziert werden darf!

Wer sind diese Hallenvermieter und warum vermieten sie nicht mehr?

a)   Messehalle ist zu groß bzw. auch zu teuer

b)   Motocrosshalle erfüllt nicht die Sicherheitsbestimmungen

c)   Ebenso das Vereinsheim der Black-Rider. Dort sind viele Schulklassen von sich aus nicht mehr
hingegangen, weil es bereits im Vorfeld der Veranstaltungen immer wieder zu organisatorischen
Problemen mit dem Veranstalter kam

Uns würde daher noch interessieren, welche Hallenvermieter außerdem für jugendkulturelle Veranstaltungen vermietet haben.

Nun noch zu den von Ihnen vorgeschlagenen möglichen Räumlichkeiten:

Müga: Das Objekt scheint nicht ungeeignet zu sein, Umbaumaßnahmen wären nötig, aber nicht unmöglich.
Hier wird berichtet, dass es zweifelhaft sei, dass die Stadt den Aufwand für die Umbaumaßnahmen tragen kann.
Was heißt das? Wie hoch sind diese Kosten? Bitte konkrete Summen nennen, dann soll der GR entscheiden, was möglich bzw. unmöglich ist.

Aldi: Räume wären zwar groß, sonst aber geeignet. Es heißt auch hier, dass umfangreiche Investitionen in Brandschutz u.a. nötig wäre, Kosten ca. TEUR 650.
Gab es Gespräche mit dem Eigentümer, inwieweit eine Beteiligung möglich wäre?

Helios-Arena: Diese Variante halten wir für nicht praktikabel, denn es wäre kein Ort, an welchem regelmäßig Veranstaltungen stattfinden können, lediglich Großveranstaltungen. Keine Identifikation als eigener Kulturtreff.

Sie schreiben weiter, dass alle Industriehallen (wie müga, Aldi) für industrielle Nutzungen gebaut wurden und dass deren Aufrüstung zur Versammlungsstätte unwirtschaftlich sei und letztendlich nur eine Kompromisslösung wäre.

Dazu kann ich nur sagen: Was spricht hier gegen eine Kompromisslösung? Wir müssen in vielen anderen Bereichen aus solche Kompromisslösungen akzeptieren; es sind oftmals nicht die Schlechtesten.

Außerdem ist uns doch wohl allen klar, dass wir für die Schaffung eines Ersatzes für die Jugendscheune auf jeden Fall Geld in die Hand nehmen müssen!! Wir bekommen das nicht zum Nulltarif. Auch die bereits im HH eingestellten TEUR 312 werden dafür nicht ausreichen.

Egal ob Umbau oder Neubau, nur mit vagen Schätzungen lassen wir uns nicht abspeisen und weiter vertrösten bzw. sogar dazu auffordern, das ganze Projekt zu beerdigen. Die geschätzten Kosten von TEUR 970 für einen Neubau scheinen ziemlich aus der Luft gegriffen; vor ca. 2 Jahren schätzte man einen Neubau auf
ca. 500-600 TEUR. Also bitte, konkrete Zahlen.
Weiterhin fehlen uns in der ganzen Betrachtung Untersuchungsergebnisse  für eine Möglichkeit auf dem alten Familienpark-Gelände, welches wir nach wie vor für den geeignetsten Platz halten. Und uns ist kein Grund bekannt, warum auf diesem Gelände nicht entstehen könnte.

III.           Jugendförderwerk:

Die in 2005 vom JFW begonnen Veranstaltungen an vielfältigen, jugendkulturellen Angeboten wurde
hervorragend angenommen, was die uns vorliegenden Besucherzahlen aus den Jahren 2005 – 2009
eindrücklich belegen.

Dagegen hält die Verwaltung nun wieder, dass jugendkulturelle Veranstaltungen jeweils nur einen überschaubaren Personenkreis erfassen würden.

Die Lösungsvorschläge des JFW für einen Neubau oder eine Zeltvariante auf dem Gelände des alten Familienparks wurden mit dessen Mitgliedern nicht ernsthaft diskutiert

Das JFW mit ihrem von Harry Frey noch aufgestelltem Konzept von 2007 wollte damals schon die Kooperation mit dem Kulturamt, der Musikakademie, den Stadtmusiken. Das ist jetzt 6 Jahre her.

In der Vorlage wird das JFW persönlich in Frage gestellt. Es sei wohl personell nicht mehr in der Lage, die Angebote ihres ursprünglichen Konzeptes anzubieten.

Im Beschlussantrag steht: Es werden weitere Kooperationspartner gesucht, um zielgerichtete, jugendkulturelle Angebote zu realisieren.

Dazu kann man nur sagen: Man muss nur lange genug warten, dann ziehen sich die verantwortlichen und interessierten Personen von Ihren Vorhaben zurück oder resignieren irgendwann. Durch das lange hinauszögern seitens der Stadt ist diese Taktik wohl aufgegangen.

Abschließend betonen wir nochmals ausdrücklich, dass wir – damit meine ich nicht nur wir als Menschen, sondern die Stadt als solches – die Verantwortung für unsere Jugendlichen haben. Wir müssen dafür sorgen, dass Ihre Anliegen endlich ernst genommen werden, und nicht weiterhin nur Lippenbekenntnisse geäußert werden. Das sind wir ihnen schuldig. Außerdem haben wir als sog. Oberzentrum die Aufgabe, Jugendkultur anzubieten, die ja, wie Sie selbst sagen, über die Jugendarbeit hinausgeht. Da kann man nicht immer nur die umliegenden Städte als Beispiel heranziehen.

Die Attraktivität einer Stadt hängt auch in großem Maße davon ab, ob sie für Kinder, Familien und in diesem Fall für Jugendliche interessant ist. Die Jungen sind mobil und nicht gezwungen hier zu bleiben oder hierher zu kommen. Darüber sollten wir uns im Klaren sein.

Unsere Fraktion wird dem Beschlussantrag der heutigen Vorlage nicht zustimmen, und damit das Projekt „Jugendkultur-Treff“ nicht beerdigen.

Ulrike Heggen
Gemeinderätin der Freien Wähler